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Beitrag vom 22.03.2018
Thelma – der norwegische Oscar®-Beitrag von Joachim Trier mit der norwegischen Neuentdeckung Eili Harboe. Kinostart: 22. März 2018
Tina Schreck
Ein neuer Coming-of-Age-Film, der neben den Problemen des Erwachsenwerdens auch Homosexualität, Religion und übersinnliche Fähigkeiten zum Thema hat. Das zerrüttete Innenleben der paranormalen Protagonistin wird so gleich auf mehreren Ebenen auf eine harte Probe gestellt.
Der Weg vom Jugend- zum Erwachsenenalter kann schwer sein. Für die junge Thelma, die in den stillen Tiefen der norwegischen Wälder unter den strengen Augen ihrer religiösen Eltern aufwuchs, stellt das Osloer StudentInnenleben eine große Herausforderung dar. Die neu gefundene Unabhängigkeit bringt aufregende Versuchungen mit sich, die auf das schüchterne Mädchen eine eklatante Faszination ausüben. Alkohol, Drogen und Sex sind plötzlich zum Greifen nah, wären da nicht die von den Eltern forcierten, täglichen Telefonate, die ihr einerseits ein Gefühl von gewohnter Geborgenheit vermitteln, andererseits deren allgegenwärtige Dominanz über ihr Leben durchblicken lassen.
Elektrisierende Emotionen
Als Thelma in der Universitätsbibliothek erstmals Blicke mit ihrer hübschen Kommilitonin Anja austauscht, erleidet sie Sekunden später einen ebenso heftigen wie unerklärlichen Anfall. Doch nicht nur Thelma selbst, auch ihre Außenwelt scheinen davon betroffen: ganz in Hitchcock-Manier fliegt ein Schwarm schwarzer Vögel wie von einer höheren Macht gesteuert gegen die Fensterscheibe. Schnell wird klar, dass die rätselhaften Attacken mit der sexuellen Anziehung zwischen den jungen Frauen zusammenhängen. Denn je näher sich die beiden kommen, desto heftiger werden sie. Besonders deutlich wird dies in einer der Schlüsselszenen: Als die Freundinnen sich in der Dunkelheit des Opernsaals während eines gemeinsamen Ballett-Besuchs körperlich näherkommen, beginnt Thelmas Selbstkontrolle und metaphorisch dazu die hohen Decken des Konzerthauses zu bröckeln. Nur mit Mühe kann sie einen heftigen Anfall und das damit verbundene Desaster verhindern.
"Oh lord, save me from these thoughts"
Die überforderte und zutiefst verunsicherte Thelma verfällt in gewohnte Muster und sucht zunächst Erlösung in der göttlichen Absolution. Als die Situation sich immer weiter zuspitzt und Anja spurlos verschwindet, will sie den mysteriösen Geschehnissen auf den Grund gehen und taucht tief in die Vergangenheit ihrer eigenen Familiengeschichte ein, die beängstigende Antworten liefert.
Etwas von Allem
Joachim Triers ("Reprise", "Oslo, 31. August") neuester Film bedient gleich mehrere Genres und wirkt dabei leider stellenweise überladen. So bedient sich das Coming-of-Age-Horror-Drama Erfolgen wie "Blau ist eine warme Farbe", "Carrie" oder auch der Mystery-Serie "Stranger Things". Fraglich ist hierbei, ob die telekinetischen Fähigkeiten der Protagonistin auch ohne die sehr verhaltenen Szenen der lesbischen Liebe auskommen würden, da sich diese eben durch ihre starke Zurückhaltung nicht ganz ins Bild fügen wollen. Erklärung für Thelmas übertriebene Aversion gegen die eigenen, aufkeimenden Gefühle bietet einzig ihre streng christliche Erziehung, wodurch der Regisseur allerdings noch ein weiteres, sensibles Thema miteinbringt.
Trotzdem beeindruckt "Thelma" mit atemberaubenden Naturaufnahmen der norwegischen, winterlichen Wälder und auch die Hauptdarstellerin Eili Harboe überzeugt mit ihrem sensiblen sowie authentischen Spiel. All die sehnsüchtigen Blicke, ihre anfängliche Scheu, die sich gegen Ende hin in erhabene Coolness wandelt - die Newcomerin glänzt in der Rolle der facettenreichen Protagonistin, die allen Widrigkeiten zum Trotz versucht, ihren Platz in der Welt zu finden.
AVIVA-Fazit: "Thelma" ist die Geschichte einer schüchternen, jungen Frau, die aus ihrer Komfortzone auszubrechen versucht und bei jeder Überschreitung ihrer tief verinnerlichten Grenzen schweren, psychischen Erschütterungen ausgesetzt ist. Ein ideenreicher Film, der durch seine umfangreiche Themenvielfalt leider hier und da an Tiefgang verliert. Wo der Vogelschwarm als unheilvoller Vorbote noch schauderhaften Horror vermuten lässt, hält "Thelma" am Ende leider nicht, was er anfangs verspricht.
Thelma
Norwegen/Frankreich/Dänemark/Schweden 2017
Regie: Joachim Trier
Drehbuch: Eskil Vogt, Joachim Trier
Darsteller_innen: Eili Harboe, Kaya Wilkins, Henrik Rafaelsen, Ellen Dorrit Petersen, Grethe Eltervåg, Marte Magnusdotter Solem, Anders Mossling, Vanessa Borgli, Steinar Klouman Hallert, Ingrid Giæver, u.v.a.
Verleih: Koch Films GmbH
Lauflänge: 116 Minuten
FSK: 12
Kinostart: 22.03.2018
Filmwebsite und Trailer: thelma.film
Zur Hauptdarstellerin:Eili Harboe begann bereits in ihrer Kindheit zu schauspielern und war in Theaterproduktionen und als Sängerin auf der Bühne zu sehen. Ihre Filmkarriere startete sie als Teenagerin in dem Drama "Kompanie Orheim" (2012). In den Folgejahren übernahm sie die Hauptrolle in der romantischen Teenager-Komödie "Küss mich, verdammt nochmal! " (2013) und spielte die Jeanne d´Arc in dem Familienabenteuer "Doktor Proktors Zeitbadewanne" (2015). Außerdem war sie in dem norwegischen Katastrophenfilm "The wave - Die Todeswelle" (2015) zu sehen und spielte eine der Hauptrollen in "The ash lad" (2017). Für die Rolle der Thelma wurde die 23-Jährige beim Mar del Plata Filmfestival als Beste Schauspielerin ausgezeichnet. Zudem repräsentiert sie Norwegen als European Shooting Star bei der Berlinale 2018.
Weitere Infos zu Eili Harboe unter: www.imdb.com
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